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Ergebnisse der Online-Konferenz #Act4RomaLives

17.06.2020

Dienstag, 26. Mai 2020

Roma-Communities in ganz Europa sind besonders betroffen durch die Auswirkungen von COVID-19. Bereits vor dem Ausbruch von COVID-19 litten Menschen mit Roma vielerorts unter extremer Armut, Segregation und Rassismus. In der aktuellen Pandemie laufen Menschen, die in Roma-Siedlungen auf engem Raum ohne Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung leben, Gefahr, zu erkranken. Die Siedlungen könnten zu Brennpunkten der Pandemie zu werden. Gleichzeitig werden Roma in mehreren europäischen Ländern zu Sündenböcken für die COVID-19-Epidemie gemacht und sind gegenwärtig mit Hassreden, ethnisierten Notstandsmaßnahmen und rassistischer Gewalt konfrontiert. Diese angespannte Situation war der Ausgangspunkt dafür, dass das Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas und die Beobachtungsstelle Antiziganismus in Europa (im Aufbau) beschlossen, mit der Konferenz #Act4RomaLives. Human Rights of Roma in Times of COVID-19 eine Plattform zu schaffen, auf der Aktivistinnen, Aktivisten, Expertinnen und Experten Informationen und Wissen austauschen, Ideen für Aktionen entwickeln und Ressourcen bündeln können.

Das Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas ist ein freiwilliger Zusammenschluss von 25 Organisationen der Zivilgesellschaft in Deutschland, darunter auch Organisationen der Roma und Sinti. Es wurde von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und dem Berliner Verein RomaTrial e.V. initiiert. Am Internationalen Tag der Roma im Jahr 2016 trat das Bündnis mit einer Kundgebung und einem Aufruf zur Solidarität mit den Sinti und Roma Europas erstmals an die Öffentlichkeit. Seitdem organisiert es mit Partnern und Partnerinnen Veranstaltungen, unter anderem im Umfeld des Internationalen Tags der Roma, des Romaday. Das Bündnis macht durch gemeinsam vorbereitete und durchgeführte Veranstaltungen und Interventionen auf antiziganistische Strukturen und Vorfälle aufmerksam und will im Geiste eines demokratischen Verständnisses der Unteilbarkeit der Menschenrechte langfristig dazu beitragen, das Bewusstsein für diese spezifische Form der Ausgrenzung und der Menschenfeindlichkeit zu schärfen.

Die Beobachtungsstelle Antiziganismus in Europa (im Aufbau) sammelt und veröffentlicht mit Hilfe eines breiten Netzwerks lokaler Partnerinnen und Partner zuverlässige Informationen über antiziganistische Vorfälle, insbesondere in Ost- und Südosteuropa, und vermittelt diese an Politikerinnen und Politiker, Medien und Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus verschiedenen Gebieten. Sie erforscht auch systematisch die Situation der Roma und verfasst unabhängige Länderberichte mit wichtigen Zusammenhängen zur aktuellen Situation. Die Beobachtungsstelle ist ein Projekt der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Zusammenarbeit mit RomaTrial, der Hildegard-Lagrenne-Stiftung und dem Carmen e.V., finanziert durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF), die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die Freudenberg Stiftung, mit Unterstützung des Bündnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas.

Eröffnung und Einführung

Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, der auch Mitinitiator des Bündnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas ist, eröffnete die Online-Konferenz mit einer kurzen Rede, in der er die Dringlichkeit dieses Treffens hervorhob.

Danach berichtete der Vorsitzende von RomaTrial und ebenfalls Mitinitiator des Bündnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas, Hamze Bytyçi, kurz über die Entwicklung vom Ausbruch der COVID-19-Pandemie bis zur Entscheidung, eine Konferenz mit Aktivistinnen und Aktivisten aus mehr als 20 Ländern zu organisieren. Er unterstrich auch die Ziele der Konferenz: Den Austausch von Wissen und Best-Practice-Beispielen und die Schaffung eines stabilen Netzwerks, das langfristig zusammenarbeiten wird, um die aktuelle Situation der Roma in verschiedenen europäischen Ländern zu beobachten. Die Beobachtungsstelle Antiziganismus in Europa sucht nach Partnerinnen und Partnern insbesondere aus Ost- und Südosteuropa, um ihr Netzwerk von lokalen Partnerschaften zu erweitern.

 

             

Inputs und Diskussionen: Die Situation der Roma in Europa

Input 1: Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Grundversorgung   
von Danilo Ćurčić, Programmkoordinator der A11-Initiative für wirtschaftliche und soziale Rechte im Kontext der Situation in Roma-Siedlungen in der Republik Serbien während des Corona-Ausbruchs.

Danilo Ćurčić wies darauf hin, dass die EU-Strategien zur Integration der Roma und die Realität in Serbien zwei völlig verschiedene Dinge sind: Der Staat reagierte auf den Ausbruch der Pandemie mit einem harten Vorgehen, versäumte es aber gleichzeitig, festzustellen, wo und welche Angehörigen der Roma-Communities am stärksten gefährdet sind und Maßnahmen zu ergreifen, die sie erreichen: Roma ohne Ausweis, die rechtlich unsichtbar sind, oder solche, die in informellen Siedlungen leben.

Serbien begann seine harten Sofortmaßnahmen am 15. März und konzentrierte sich auf zwei Säulen: erstens, den besonderen Bedarf an medizinischer Versorgung und zweitens, die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft. Die Situation der Roma in den Siedlungen wurde nicht als notwendiger Teil des Vorgehens betrachtet.

Im Gegenteil verschlimmerte sich die Situation: wer etwa auf Einkommen aus der informellen Wirtschaft angewiesen war, blieb ohne jegliche Mittel zum Lebensunterhalt, während der Staat landesweit den Ausnahmezustand ausrief. Roma ohne Papiere sind nicht nur nicht in der Lage, finanzielle Sozialhilfe oder andere reguläre Formen der Unterstützung zu beantragen, sie sind auch von Maßnahmen ausgeschlossen, die zur Bekämpfung der sozialen Auswirkungen von COVID-19 ergriffen wurden. Roma, die Anspruch auf reguläre Formen der Unterstützung hatten, wurden daran gehindert, diese zu beantragen. Die einzige Form der Sozialhilfe für Roma-Familien besteht in einer Leistung von 150 Euro/Monat für vier Familienmitglieder. Zudem hat es der Staat versäumt, nach der Schließung der Schulen für Kinder aus Roma-Siedlungen durch den Zugang zu Internetlernportalen und andere Formen des Homeschooling die Fortführung der Beschulung zu gewährleisten.

Serbische Aktivistinnen und Aktivisten wandten sich mit der Forderung an die öffentlichen Sozialdienste, Ressourcen für Roma-Siedlungen bereitzustellen. Sie versuchten auch, mit der Regierung in Kontakt zu treten, um den Schutz der Schwächsten zu gewährleisten. Sie fanden jedoch keine Anzeichen für die Bereitschaft, Maßnahmen zu ergreifen. Danach beschlossen die Aktivistinnen und Aktivisten, Maßnahmen seitens des Europarats anzustreben: Sie reichten eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein und erzielten innerhalb von zehn Tagen ein Ergebnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein Verfahren gegen Serbien wegen mangelnder Unterstützung für die am stärksten gefährdeten Personen im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie eingeleitet.

Dies zog mehrere Medienberichte über die Situation in den Siedlungen und eine Intervention des Ministeriums für Arbeit und Minderheiten nach sich. Schließlich begann die Regierung zu kooperieren. Die Kombination aus Medienberichten, dem Engagement lokaler Roma-Organisationen und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erwies sich als bisher effizientester Weg, um den Schutz der sozialen Rechte der Roma zu gewährleisten.

Abschließend betonte Danilo Ćurčić, dass dieses Vorgehen im Fall konkreten Fall tatsächlich erfolgreich gewesen sei, jedoch nicht als langfristige Lösung betrachtet werden könne. All jene, die aufgrund unterschiedlichster Ursachen keine Identitätsdokumente besitzen, also juristisch unsichtbar sind, können in der Republik Serbien weiterhin keinerlei finanzielle Nothilfe erhalten.

 

Input 2: Gewalt und Hassrede gegen Roma           
von Isabela Mihalache, Senior Policy Officer im ERGO-Netzwerk über die zunehmende Zahl von Fällen von Polizeigewalt und Desinformationskampagnen gegen Roma während der COVID-19-Krise.

Isabela Mihalache berichtet, dass die Zahl der Fälle von Polizeigewalt gegen Roma in Bulgarien, der Slowakei, Serbien, Nordmazedonien und Rumänien in den Wochen der Lockdown-Maßnahmen zugenommen hat. Die Medien verbreiten nicht nur negative Äußerungen, die weiterdazu beigetragen haben, ein stereotypes Bild der Roma zu schaffen, sondern sie berichten auch regelmäßig über jeden Vorfall, an dem Roma beteiligt waren, und ethnisieren Fälle der Missachtung von Sicherheitsmaßnahmen oder gewaltsamer Konflikte innerhalb der Communities.

Einige Kommunalbehörden haben gezielte Maßnahmen ergriffen, um Roma regelrecht einzusperren. Hierzu wurden Kontrollpunkte eingerichtet und zusätzliche Polizeikräfte, Gendarmerie oder Militärkräfte in der Nähe von Siedlungen eingesetzt. Es kam zu Fällen unverhältnismäßiger, ganz offenbar rassistischer motivierter Gewalt.

In Bulgarien haben die Behörden strengere Maßnahmen eingeführt, um die Verbreitung von COVID-19 in Roma-Gemeinschaften im ganzen Land zu verhindern. Nachdem zehn Fälle von Infektionen in den Vierteln Fakulteta und Filipovtsi gemeldet wurden, wurde am 16. April 2020 ein Polizeikontrollpunkt eingerichtet. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Nova Zagora, Kazanlak und Sliven (wo 50.000 Roma leben) sind nun von provisorischen Mauern umgeben, die die lokalen Behörden um die Stadtviertel herum errichtet haben. Die Situation in Shesti in der Nähe von Nova Zagora ist ähnlich: Die Behörden argumentierten, die Bewohnerinnen und Bewohner hätten keinen Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen gehabt und seien daher nicht in der Lage waren, das empfohlene Hygieneniveau aufrechtzuerhalten, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. In Burgas werden Drohnen mit Wärmesensoren eingesetzt, um die Körpertemperaturen der Bewohnerinnen und Bewohnern in ausschließlich von Roma bewohnten Siedlungen aus der Ferne zu messen. Um die Siedlungen herum wurden bewaffnete Streitkräfte postiert, wodurch die Roma-Gemeinschaften als höchst beunruhigende »Feinde« erscheinen. Die Einführung von Maßnahmen, die sich auf Roma-Viertel konzentrieren, ging mit einer zunehmend feindseligen, Anti-Roma-Rhetorik einher, die häufig von Politikern, sogar von Politikern der Regierungskoalition, geschürt wurde.

In Rumänien sind landesweit zahlreiche Fälle gewaltsamen Polizeimissbrauchs gegen Roma aufgetreten, insbesondere seit dem orthodoxen Osterfest. Es wurden mehrere Videobeweise zusammengetragen, z.B. aus Bolintin-Tal, wo Polizisten acht mit Handschellen fixierte Männer und einen 13-jährigen Jungen verprügelten, weil sie angeblich vor ihren Häusern ein Barbecue veranstalteten. In Hunedoara gaben mehrere Roma und Nicht-Roma an, dass sie in ihren Häusern von der Polizei geschlagen wurden. Die Polizei drang ohne Erklärung in zahlreiche Häuser ein, setzte Tränengas gegen Frauen und minderjährige Kinder ein und verprügelte zwei Männer, nachdem sie erklärt hatten, dass sie Anzeige gegen diese Misshandlungen erstatten würden. In einem Fall, über den in Rahova berichtet wurde, wurden 37 Personen auf die Polizeistation gebracht und vier Stunden lang gezwungen, mit dem Gesicht zur Wand zu stehen, ohne die Möglichkeit etwas zu trinken oder auf die Toilette zu gehen. Einige von ihnen, die unter erheblicher Gewaltanwendung auf die Polizeiwache gebracht und dort weiter zusammengeschlagen wurden, meldeten sich beim Nationalen Forensischen Institut, um ärztliche Atteste über die Misshandlungen zu erhalten. Doch trotz der Beweise hatten sie Angst, Beschwerde einzureichen. Hinzu kommt, dass auch in Rumänien Politiker eine Roma-feindliche Rhetorik verwenden und Roma bedrohen.

Im gleichen Zeitraum gab es zwei Fälle von Polizeigewalt gegen Roma in Serbien und drei Fälle in der Slowakei. In der Slowakei ging es in einem der Fälle darum, dass ein Polizeibeamter fünf kleine Roma-Kinder schlug und damit drohte, sie zu erschießen, weil sie angeblich eine vom Militär verhängte Quarantäne im segregierten Roma-Viertel Krompachy missachtet hätten.

Nach dem Beitrag von Isabela Mihalache berichten mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Fälle von Polizeigewalt gegen Roma in Italien, Spanien, Serbien (Niš) und anderen Ländern. Teilweise wurden die Vorfälle auf Video aufgezeichnet und es besteht die Möglichkeit, sie zu teilen.

 

              Breakout-Rooms (30 Minuten in drei verschiedenen Diskussionsgruppen)

Breakout-Room 1: Werkzeuge des politischen Aktivismus/der Medienarbeit: Wie kann man ein gesellschaftliches Bewusstsein schaffen?  
Moderation: Jochen Eisenburger (Mitarbeiter des EP-Abgeordneten Romeo Franz)

Diese kurze Sitzung, die sich auf Instrumente des politischen Aktivismus konzentriert, wurde initiiert, um die mangelnde Aufmerksamkeit zu diskutieren, die Roma-Aktivistinnen und -Aktivisten für ihre Forderungen erhalten, und um Ideen für Aktionen zu sammeln, mit denen der Druck auf Regierungen und lokale Behörden verstärkt werden kann. Die aktuelle Krise verschärft nur die Umstände, mit denen Roma in ihrem Alltag konfrontiert sind, weshalb sich die Diskussion in diesem Breakout-Room nicht nur auf die aktuelle Situation bezog, sondern auch Raum für grundsätzliche Fragen in diesem Themenfeld beanspruchte.

Während der Diskussion ließen sich drei Schlüsselthemen ausmachen:

Erstens betonten einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Notwendigkeit eines lokalen Aktivismus. Sie wiesen darauf hin, dass die Mobilisierung der lokalen Roma-Bevölkerung zwar mit einem größeren Netzwerk von Aktivistinnen und Aktivisten einhergehen müsse, dass aber lokaler Aktivismus der erste und schnellste Schritt sei, um Veränderungen zu erreichen. Er habe eine kraftvolle und symbolische Bedeutung, die die Communities dazu motiviere, sich zu verteidigen.

Zweitens kam die Gruppe zu dem Schluss, dass eine der wichtigsten Aufgaben darin bestehe, Beratungs- und Aufklärungsangebote für Roma zu schaffen, die nicht wissen, wie sie ihre grundlegenden Rechte auf Teilhabe ausüben können. Es besteht ein Bedarf an Unterstützung, damit jede und jeder sein und ihre Grundrechte kennt und weiß, wie sie oder er sie ausüben kann. Ohne dieses Wissen können sich viele Roma nicht an politischen Debatten und Entscheidungen beteiligen.

Drittens betonten die Teilnehmenden, wie wichtig es se, grundlegende Forderungen mit höheren Anforderungen zu verbinden: Wenn also die Grundversorgung nicht gesichert ist, bedeutet dies auch, dass die Grundrechte nur eingeschränkt oder überhaupt nicht ausgeübt werden können. Deshalb muss die Forderung, zum Beispiel nach Brot, immer mit höheren Ansprüchen verbunden werden: mit der Forderung nach der Umsetzung der Menschenrechte, mit der Forderung nach Gewährung von Freiheit und Gleichheit.

 

Breakout-Room 2: Informationsnetzwerke / Beweissammlung       

Moderation: Jana Mechelhoff-Herezi (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas)

In dieser Sitzung standen vier zentrale Fragen zur Diskussion: Was kann getan werden, um die Politik zum Handeln zu bewegen? Wie kann eine Struktur der gegenseitigen Information über Vorfälle aufgebaut werden? Welche Möglichkeiten haben wir, rassistische Vorfälle zu sammeln? Und wie können wir Menschen dabei unterstützen, Vorfälle zu melden?

Isabela Mihalache vom ERGO-Netzwerk berichtete, dass ERGO nach Kooperationspartnerinnen und –partnern sucht, um einen Bericht über Fälle von Hassrede und Gewalt an Institutionen in Brüssel zu schicken. Sie unterstrich, dass jede Information, die ERGO erhalten kann, für Grundrechtsorganisationen wichtig ist. Das Mapping-Projekt »Roma React« von ERGO ermöglicht es jedem und jeder, Informationen über Vorfälle zu veröffentlichen. Außerdem könnte eine kostenlose App zur Beobachtung von Fällen von Diskriminierung oder (polizeilicher) Gewalt entwickelt werden, mit der sich die Menschen überall direkt an Gerichte und Behörden wenden können (vergleichbare Beispiele gibt es in Großbritannien und Spanien).

Beobachtungsstellen in mehreren Ländern überwachen und erfassen Vorfälle von Diskriminierung und Rassismus. Diese Beobachtungsstellen müssen kontaktiert werden, um Ihre Arbeit international zu vernetzen. Darüber hinaus beobachtet die EU-Agentur für Grundrechte derzeit auch die Auswirkungen von COVID-19 auf die Grundrechte.

Isabela Mihalache fügte den Vorschlag hinzu, dass sich mehrere Organisationen (z.B. A11-Initiative, ERGO oder ERRC+) an der Entwicklung von Richtlinien für NGOs beteiligen könnten, um beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einstweilige Verfügungen über die unmenschlichen Bedingungen einzureichen, denen Roma derzeit ausgesetzt sind. Es könnte auch vereinbart werden, dass der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) des Europäischen Parlaments einen Bericht über die Auswirkungen von COVID-19 verfasst.

Die Sitzungsteilnehmenden sahen eine wichtige Aufgabe für die Zukunft darin, bessere Wege zu finden, um auf nationaler Ebene über die Kompetenzen der EU-Institutionen und des Europarats zu informieren, wodurch der Druck auf die nationalen Regierungen verstärkt werden kann.

 

Breakout-Room 3: Erfahrungen und Strategien für lokale Unterstützung    
Moderation: Esther Spicker (Schwarzkopf Stiftung Junges Europa)

Die Ziele der letzten Breakout-Sitzung waren sowohl der Austausch von Erfahrungen und Strategien für die Unterstützung vor Ort als auch die Vernetzung und das Kennenlernen von Best-Practice-Beispielen.

Christoph Leucht von der Hildegard-Lagrenne-Stiftung stellte ein erstes Beispiel vor: Zu Beginn der Pandemiekrise trat eine bulgarische Organisation an die Stiftung heran und fragte nach Möglichkeiten, in Dortmund Mittel für die Lebensmittelversorgung zu beschaffen. Sie fanden Lösungen, wie diese Unterstützung organisiert werden könnte, wie man Geld beschaffen könnte und wie die Lieferung erfolgen könnte. Sie beschlossen, die Spenden zu übergeben und ein lokales Komitee für weitere Entscheidungen einzurichten.

Ein anderer Teilnehmer stellte Möglichkeiten der lokalen Interessenvertretung für Gemeinschaften vor, die keinen Zugang zu Wasser oder Masken haben (Kauf von Masken, die von anderen Roma-Gemeinschaften hergestellt wurden, und Verteilung dieser Masken). Andere leiteten eine Studie darüber ein, wie sich die Pandemie auf Roma-Gemeinschaften im Bereich Beschäftigung und Bildung auswirkt, um ein Pilotprojekt zur Unterstützung von Roma-Unternehmern in vier verschiedenen Regionen zu starten.

 

Die Teilnehmenden diskutierten über Möglichkeiten, Verbindungen zu anderen Organisationen herzustellen, Partnerinnen und Partner in anderen Ländern zu finden und Roma-Aktivisten und andere Organisationen zusammenzubringen. Eine Möglichkeit bestehe darin, die Förderstrukturen in den verschiedenen Ländern zu untersuchen, Partnerschaften mit UNO-Agenturen oder der Vertretung der Europäischen Kommission einzugehen.

 

Zudem berichteten die Teilnehmenden, dass es wegen COVID-19 schwierig sei, Projekte zur Stärkung der Roma in humanitäre Hilfe umzuwandeln. Viele Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren oder arbeiten seit mehreren Monaten nicht mehr. Vielen Familien fehlt es an Mitteln zur Deckung der Grundbedürfnisse wie Nahrung. Dies ist für viele Organisationen eine neue, oftmals frustrierende Situation.

 

In der Sitzung kamen mehrere Ideen für Unterstützungsstrukturen zur Sprache: Aufbau einer Lobby für die Unterstützung der lokalen Öffentlichkeit, um sicherzustellen, dass die Communities mit sauberem Wasser versorgt werden, Erhebung von Daten, die einen Überblick darüber geben, was am dringendsten benötigt wird, z.B. in Schulen.

 

Gemeinsam könnten die Teilnehmenden eine Basis und Mittel finden, um diese Herausforderung anzugehen. Partnerschaft ist entscheidend.

 

Schlussworte

In seinen Schlussbemerkungen unterstrich Romeo Franz, Menschenrechtsaktivist und seit 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments, die Bedeutung der gleichberechtigten Teilnahme und Zusammenarbeit unter den Aktivistinnen und Aktivisten, die zu dieser Konferenz zusammenkamen. Romeo Franz berichtete auch, dass er im LIBE-Ausschuss (Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) eine Resolution vorbereitet, in der Entscheidungsträger nach verbindlichen, klaren Zielen, Vorgaben, Fortschritts- und Erfolgsindikatoren für die Eingliederung der Roma, für die Förderung und den Schutz der Identität, Sprache und Kultur sowie nach angemessenen Budgets für die Umsetzung politischer Maßnahmen gefragt werden.

Am Ende der Konferenz fand Grattan Puxon, der Mitbegründer der internationalen Roma-Bewegung, sehr warnende Worte. Er forderte die Teilnehmenden der Konferenz auf, den Kampf gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit fortzusetzen: Da wir derzeit die größte Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erleben, dürfen wir nicht die Augen verschließen und zulassen, was in Europa jetzt geschieht. Wenngleich in seinen Augen ist eine Mobilisierung bereits erfolgt ist, so empfinde er die Konferenz #Act4RomaLives doch als einen Neunfang und weinen wichtigen Schritt der weiteren Mobilisierung der Roma-Communities. Abschließend erinnerte Grattan an das kommende 50. Jubiläum des Ersten Welt-Roma-Kongresses, der in der internationalen Bürgerrechtsbewegung eine wichtige Rolle spielt und auf den sich der Internationale Tag der Roma, der Romaday beieht. Im Jahr 2021 sind es 50 Jahre seit dem ersten Weltkongress der Roma am 8. April 1971 in London - und Grattan Puxon schlägt vor, einen großen Kongress zur Wiedervereinigung der Roma in Berlin zu organisieren.

Protokoll: Klaus Jetz (Lesben- und Schwulenverband Deutschlad – LSVD), Sarah Rosenau (Beobachtungsstelle Antiziganismus in Europa/ Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas) Merle Stöver (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas)

Moderation: Katja Wadewitz (Beobachtungsstelle Antiziganismus in Europa)

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